Vom Trauern und Loslassen
Das Leben ist ein steter Prozess, alles ist in Bewegung und damit in Veränderung. Und so wie wir dazu gewinnen, zum Beispiel an Reife, Kompetenzen, Lebensfreude, so verlieren wir auch stetig. Es gibt die kleinen Veränderungen und Abschiede ebenso wie die großen. Manches passiert langsam und schleichend, anderes wiederum plötzlich und massiv. Das Eine können wir vielleicht leichter annehmen als das Andere. Dann kämpfen wir dagegen an, verweigern uns die Veränderung anzuerkennen. Das kostet Energie.
Trauern braucht Loslassen – und Loslassen braucht Trauer
Das Loslassen ist meistens begleitet von der Trauer. Andere Gefühle können selbstverständlich auch auftreten: die Angst, Erleichterung, Freude, Befreiung.
Es gibt die alltäglichen Verluste ebenso wie die Lebenseinbrüche. Wir werden jeden Tag ein bisschen älter, der Körper schmerzt hier und da, die Augenringe verschwinden nicht mehr so schnell, die Hose will nicht mehr um den Bauch zugehen. Der Körper verkündet die kleinen Abschiede. Mit zunehmenden Alter ändern sich auch Lebenspläne und es heißt auch hier Abschied nehmen beispielsweise von der Weltreise, Berühmt zu werden, noch mal dies und jenes zu machen. Ich entscheide mich für diesen einen Menschen und damit gegen viele andere. Ich entscheide mich für … und damit bleibt anderes Leben ungelebt. Der Bereich des ungelebten Lebens, der nicht verwirklichten Träume wird mit zunehmenden Alter größer – was nicht bedeutet, dass es nicht jeden Tag wieder Chancen und Möglichkeiten gibt. Wenn wir jedoch irgendwann nur noch den Blick auf die unerfüllten Träume werfen, sehen wir nicht mehr die Möglichkeiten des täglichen Glücks. Dann ist unserer Weg versperrt und es wird Zeit zum loslassen, zum trauern, um wieder den Blick frei zu bekommen auf die Schönheiten des Lebens. Alte Ideen und Selbstkonzepte gehören überprüft damit sie Neuem einen Platz geben können.
Andere Ereignisse erschüttern das ganze Leben. Hier geht es meist um Verlust und Tod. Wenn geliebte Menschen einem plötzlich verlassen, weil sie sterben oder sich trennen oder Menschen ihre Heimat, ihr zu Hause verlieren. Ebenso chronische Krankheiten und schwere Unfälle. Vertrautes ist auf einmal nicht mehr da, die Welt ist scheinbar nicht mehr so, wie man sie eben noch kannte. Das eigene Selbstbewusstsein, das eigene Selbstkonzept zerbricht urplötzlich. Vertrautes, Sicherheit gebendes steht nicht mehr zur Verfügung, Liebgewonnenes muss losgelassen werden. Dieses zu akzeptieren und anzunehmen fällt vielen schwer und ist ein Prozess des Trauerns. Das braucht Zeit, eine liebevolle Begleitung, Schutz und einen wohlwollenden Blick auf sich selbst.
Trauern und Loslassen braucht Zeit
Trauer ist ein Gefühl und von daher höchst subjektiv. Es gibt kein richtiges/falsches Trauern. Ebenso kein richtiges Maß für wie lange und intensiv sie sein darf. Es braucht noch nicht mal einen (für sich oder andere nachvollziehbaren) Grund – Anlässe findet sie schon allein. Sie kann aus (allerlei) Altem bestehen, alte sich mit aktueller vermischen oder delegiert worden sein und eigentlich jemand anderes gehören. Wichtig ist es, ihr einen Raum zu geben. Erst wenn sie sich entfalten darf kann sie sich auch zu etwas anderem, neuem entwickeln.
Loslassen und Trauern braucht Zeit und durchläuft verschiedene Phasen, es ist eine Entwicklung, die der Mensch durch macht. Hier tauchen noch ganz andere Gefühle auf: Wut, Zorn, Hilflosigkeit, Schuld, Scham, Schrecken, Angst, usw. Ebenso können alte Verhaltensweisen wieder auftreten, die schon längst überwunden galten. Die Trauer schlägt sich meist auch auf den Körper nieder, in Form von Anspannung, Rücken- oder Magenschmerzen, Herz und Lunge/Atmung, Entzündungen, geschwächtes Immunsystem, Schwäche.
Meine Arbeit sieht so aus, dass ich sie liebevoll an diesem Wendepunkt begleite, ihnen den Raum gebe, damit alles was da ist, sich zeigen und raus kommen darf. Ihre Trauer bekommt so viel Platz wie sie braucht. Es ist ein hinein gehen um hinaus kommen zu können. Es wird damit keinen Weg zurück geben, das Alte kann ich Ihnen nicht wieder geben. Ich kann jedoch behilflich sein, etwas neues zu entwickeln, alte und neue Ressourcen frei zu legen und mit dem was war und was ist liebevoll und akzeptierend umzugehen. Und das offen und ehrlich.